Büsums Fahrradfreundlichkeit im Überblick
Büsum (rund 4800 Einwohner) ist mit mehr als einer Million Gästeübernachtungen im Jahr nach Sankt Peter-Ording und Westerland der drittgrößte Fremdenverkehrsort an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste.
Viele Übernachtungsgäste bringen ihre eigenen Fahrräder mit oder mieten sie sich bei einem der zahlreichen Verleiher, die auch auf der offiziellen Büsum-Homepage beworben werden. Auch E-Bikes gewinnen im Urlauberverhalten immer noch weiter an Bedeutung. Für einen ungetrübten Urlaubsspaß auf zwei Rädern sind aber nicht nur gute fahrradgeeignete Wege, sondern auch andere Faktoren wie zum Beispiel ergonomische und sichere Abstellanlagen (nicht nur in kommunaler Verantwortung, sondern auch an den Unterkünften!) und andere radtouristische Infrastruktur entscheidend (siehe auch übergeordnete Seite).
Damit verdienen Fahrrad und Fahrradinfrastruktur in der Fremdenverkehrspolitik von Büsum und der Region eine Beachtung, die ihnen augenscheinlich heute noch nicht in ausreichendem Maß beigemessen werden: Schon bei stichprobenartiger Begutachtung aus der Urlauberperspektive heraus fällt einiges Verbesserungspotenzial ins Auge (alle Angaben Stand 2016 mit Aktualisierungen 2019, 2020, 2021 und 2022):
Radverkehrsführung in Büsum
Radverkehrsführung auf Schutzstreifen Eher gefährlich als hilfreich sind an vielen Stellen in Büsum die markierten Schutzstreifen für Fahrradfahrer. Nach den einschlägigen Entwurfsrichtlinien sollten solche Schutzstreifen in der Regel eine Breite von 1,50 m, mindestens aber 1,25 m haben. Stellenweise haben Schutzstreifen in Büsum aber kaum eine Breite von 40 cm. Außerdem sind sie an vielen Stellen stark abgenutzt und kaum noch erkennbar. |
Mit Ausgestaltungen, die so gravierend vom anerkannten Stand der Technik (RASt 06) abweichen, setzt Büsum die Gesundheit und das Leben seiner Fußgänger und Radfahrer aufs Spiel und macht sich bei Unfällen juristisch angreifbar.
Vorschlag zur Abhilfe:
Das innerörtliche Straßennetz Büsums könnte nach der StVO-Novelle vom April 2020 größtenteils als Fahrradzone ausgewiesen werden. Fahrradzonen stellen eine flächenmäßige Erweiterung der nur streckenmäßig anzuordnenden Fahrradstraßen dar; sie dienen der Sicherheit und Leichtigkeit des Radverkehrs und tragen damit Büsums Charakter als Kur- und Erholungsort mit hohem Radverkehrsanteil Rechnung. Als klassifizierte Straßen kommen nur die B203, K55 und K71 dafür nicht infrage.
Radverkehrsführung im Mischverkehr mit Fußgängern
Gemeinsame Geh- und Radwege kommen laut einschlägigen Richtlinien nur bei schwachen Fußgänger- und Radverkehrsbelastungen infrage, wenn getrennte Führungen in Form von Radwegen oder Radfahrstreifen nicht zu realisieren sind. Die Richtlinien fordern dafür je nach maximaler Gesamtanzahl der Nutzer pro Stunde Mindestwegebreiten zwischen 2,5 m (bis 70 Nutzer/h) und 4 m (bis 150 Nutzer/h). In Büsum dürften mehrere Realisierungen nicht diesen und anderen Richtliniengrundsätzen entsprechen, z. B.:
- Auf dem Neuen Weg ist die Mindestwegebreite nicht eingehalten. Ab Heider Straße besteht für Radfahrer zunächst Benutzungspflicht, die dann nach ca. 150 m aufgehoben wird und überraschende Wechsel der Radfahrer auf die Fahrbahn verursachen dürfte. Sehr verwirrend und gefährlich für alle Verkehrsteilnehmer!
- Auf der Dr.-Martin-Bahr-Straße dürfte aufgrund der Frequentierung eine Wegebreite von mindestens 4 m erforderlich sein, die bei weitem nicht gegeben ist. Als besonderer Schildbürgerstreich werden die Radfahrer an unübersichtlichen Stellen an der Kurve zum Fischerkai auf die gegenüberliegende Straßenseite gezwungen: In beiden Fahrtrichtungen einmal vor der Jugendherberge, in Fahrtrichtung Fischerkai nach 50m gleich ein zweites Mal zurück auf einen unvermittelt dort beginnenden Schutzstreifen auf der Fahrbahn. Sehr gefährlich und eine ganz schlechte Visitenkarte Büsums, denn hier verläuft der Nordseeküstenradweg durch Büsum!
Fahrradparken in Büsum
Lange Zeit waren am touristischen Brennpunkt von Büsum, am Gäste- und Veranstaltungszentrum (Watt'n Hus) die wohl schlimmsten Felgenklemmer des ganzen Ortes installiert. 2018 sind sie abgebaut und unter den Kolonnaden vom Watt’n Hus 82 ADFC-zertifizierte Doppelstockparker (164 Stellplätze) montiert worden. Ein Quantensprung bei der Fahrrad-Parkinfrastruktur Büsums!
Auffällig ist aber, dass viele Nutzer die Doppelstockparker (aus Unkenntnis oder Absicht?) nicht bestimmungsgemäß in Anspruch nehmen. Sehr häufig werden die Bügel der unteren Etage von der Außenseite der Anlage her als Anschließmöglichkeit zweckentfremdet.
Anlehnbügel
In Büsum werden in jüngerer Zeit vermehrt Anlehnbügel als Fahrradabstellanlagen montiert. Die verschiedenen Anlehnbügelmodelle erreichen zwar nach dem Bewertungsschema für Bestandsanlagen bis zu 14 von 20 Tauglichkeitspunkten, dennoch sind sie gerade für einen Urlaubsort keine ideale Wahl, siehe "Pro und Kontra Anlehnbügel".
Besonders ärgerlich sind im Übrigen die Modelle an den Strandübergängen, die mit ihren scharfkantigen Metallprofilen nicht gerade lackschonend sind.
Felgenkiller
Ansonsten überwiegen im Ortsbild von Büsum sowohl im öffentlichen Straßenraum wie auch bei den Vermietern der Unterkünfte geringwertige Vorderradhalter (so genannte "Felgenklemmer" und "Felgenkiller"), die auf 0 oder 2 von 20 Tauglichkeitspunkten nach dem Bewertungsschema für Bestandsanlagen kommen. Der Spiralparker der Sparkasse ist zwar optisch ansprechender, kommt aber bzgl. seiner Funktionalität auch nicht auf mehr Tauglichkeitspunkte. Ein Blick auf den Schulhof zeigt, dass Schüler hier schon frühzeitig lernen, dass Fahrrädern meistens nur drittklassige Parkbedingungen geboten werden.
Gestaltungsfehler
Leider werden bei der Anordnung und Ausführung der Abstellanlagen immer wieder Fehler gemacht: So weist beispielsweise die Abstellanlage am Deichaufgang zur Familienlagune völlig unzureichende Gassenbreiten auf, so dass bei dichter Belegung ein Ein- und Ausparken in der mittleren der drei Abstellreihen nicht mehr in zumutbarer Weise möglich ist. Die Anlage ist inzwischen auf die andere Seite der Toilettenanlage versetzt und der Fehler dabei wiederholt worden.
Einen gestalterischen Schildbürgerstreich kann man in der Viktoriastraße besichtigen: Hier ist eine Anordnung von Anlehnbügeln beidseitig so eng durch Bordsteine begrenzt worden, dass sich Fahrräder mit gängigem Radabstand hier nicht an die Bügel anlehnen lassen.
Bedarfsermittlung
Ganz offensichtlich gibt es in Büsum verschiedene Stellen mit hoher Nachfrage an Fahrradparkmöglichkeiten, die aber heute nicht mit einem guten Angebot entsprechender Fahrradabstellanlagen befriedigt wird. Beispiele dafür sind der Kirchensteig am Beginn der Fußgängerzone oder der Ankerplatz, wo das Fahrrad ein idealer Zubringer zu den Ausflugsschiffen wäre.
Vorschlag zur Abhilfe:
Als Abhilfe empfiehlt sich eine systematische Bedarfsermittlung, wie sie zum Beispiel beschrieben ist in den "Hinweisen zum Fahrradparken" der Forschungsgemeinschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV).
Mit drittklassigen und fehlenden Fahrradabstellanlagen schreckt man insbesondere die Nutzer von höherwertigeren Fahrrädern ab, die unter solchen Bedingungen Sachschäden und Diebstahl befürchten müssen. Unter diesen Voraussetzungen ist es nicht verwunderlich, wenn sich die Fahrradfahrer sicherere Ersatzabstellmöglichkeiten suchen, was aber dem Ortsbild durchaus abträglich sein und auch zu Behinderungen anderer Verkehrsteilnehmer führen kann.
Für ein sicheres Parken der Gästefahrräder an den Unterkünften über Nacht sind abschließbare Abstellräume die optimale Lösung. Ansonsten sind ADFC-empfohlene bzw. DIN 79008-konforme Reihenparker die beste Wahl - hinsichtlich Gesamtkosten, Flächeneffizienz und Nutzerfreundlichkeit.
Lademöglichkeiten für E-Bike-Akkus
Öffentliche Ladestationen für E-Bike-Akkus findet man unter den Kolonnaden des Gäste- und Veranstaltungszentrums und am Deichübergang Nordseestraße zur Familienlagune. Die Ladestationen findet man nur durch Zufall; auf der offiziellen Büsum-Homepage sind sie nicht erwähnt und auch per Internet-Suche sind sie nur schwerlich aufzufinden. Sehr bedenklich ist es aber, dass auch in Beherbergungsbetrieben und anderen Ferienunterkünften nahezu ausnahmslos keine sicheren Lademöglichkeiten angeboten werden und auch bei den allermeisten Betreibern kein entsprechendes Wissen dazu vorhanden ist. |
herrenlose Fahrräder
Herrenlose Fahrräder stellen in öffentlichen oder halböffentlichen Fahrradabstellanlagen in Büsum aktuell kein größeres Problem dar. Sehr ärgerlich ist aber, dass aber ausgerechnet am Bahnhof Büsum bei ohnehin knappen Stellplatzkapazitäten etliche Stellplätze durch Fahrradleichen blockiert sind. Sollte es zu diesem Thema doch einmal größeren Handlungsbedarf geben, siehe auch Herrenlose Fahrräder - ein Leitfaden zur Entsorgung. |
Informationen und Infrastruktur für durchreisende Radtouristen
Büsum liegt am internationalen Fernradweg EuroVelo 12 (Nordseeküsten-Radweg, D1). Haben sich die Büsumer schon mal Gedanken gemacht, wie und wo durchreisende Fernradtouristen mal für ein paar Stunden ihr Rad und ihr Gepäck sicher zurücklassen können, um entspannt den Strand und das weltberühmte Büsumer Watt genießen zu können?
Vorschläge zur Abhilfe: Im Bereich des Gäste- und Veranstaltungszentrums bieten sich für diesen Zweck exklusiv für Fernradtouristen die folgenden Installationen an:
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Fazit
Zum heutigen Stand kann sich Büsum nicht mit besonderer Fahrradfreundlichkeit rühmen. Diese Einschätzung deckt sich mit Büsums Ergebnis beim Fahrradklima-Test 2020 des ADFC, das eine Gesamtbewertung von 3,6 (nach Schulnoten-Prinzip) ergeben hat. Wahrscheinlich haben sich die Büsumer Verantwortlichen und Planer bislang kaum die "Fahrradbrille" aufgesetzt.
Eine effiziente Verbesserung wäre am ehesten durch die Schaffung einer Stelle eines hauptamtlichen Fahrradbeauftragten zu erzielen, was bei der tatsächlichen Bedeutung des Radverkehrs in Büsum durchaus angemessen wäre. Ein weiterer starker Katalysator wäre sicherlich ein Beitritt zum Verein RAD.SH e. V.. Die notwendigen Investitionen in Radverkehrsinfrastruktur wären finanziell durchaus überschaubar, wären vermutlich bezuschussungsfähig (EU-Fördermittel für den ländlichen Raum) und und würden sich außerdem auch auf viele Schultern verteilen (neben der Gemeinde insbesondere Unterkunftsbetriebe aller Art und gastronomische Betriebe).
Büsum als "Fahrradfreundlicher Urlaubsort" wäre ein lohnenswertes Ziel, denn Sicherheit und Zufriedenheit der Fahrradurlauber kann für einen Urlaubsort keine Nebensache sein!