Grömitz' Fahrradfreundlichkeit im Überblick
Grömitz (rund 7150 Einwohner) ist eines der ältesten Seebäder an der deutschen Ostseeküste und kommt auf rund 1,5 Millionen Gästeübernachtungen pro Jahr.
Viele Übernachtungsgäste bringen ihre eigenen Fahrräder mit oder mieten sie sich bei einem der zahlreichen Verleiher, die auch auf der offiziellen Grömitz-Homepage beworben werden. Auch E-Bikes gewinnen im Urlauberverhalten immer noch weiter an Bedeutung. Für einen ungetrübten Urlaubsspaß auf zwei Rädern sind aber nicht nur gute fahrradgeeignete Wege, sondern auch andere Faktoren wie zum Beispiel ergonomische und sichere Abstellanlagen (nicht nur in kommunaler Verantwortung, sondern auch an den Unterkünften!) und andere radtouristische Infrastruktur entscheidend (siehe auch übergeordnete Seite).
Damit verdienen Fahrrad und Fahrradinfrastruktur in der Fremdenverkehrspolitik von Grömitz und der Region eine Beachtung, die ihnen augenscheinlich heute noch nicht in ausreichendem Maß beigemessen werden: Schon bei stichprobenartiger Begutachtung aus der Urlauberperspektive heraus fällt einiges Verbesserungspotenzial ins Auge (Angaben Stand Oktober 2016 mit einer Aktualisierung August 2020):
Fahrradparken
Die besten Fahrradständer von Grömitz findet man aktuell in zwei Abstellanlagen in der Seestraße. Sie sind DIN79008-kompatibel und kommen damit auf volle Punktzahl nach dem Bewertungsschema für Bestandsanlagen.
Die zweitbesten Fahrradhalter findet man vor dem Rathaus, die dort eingesetzten Anlehnbügel mit Vorderradbucht kommen auf 16 von 20 Tauglichkeitspunkten. An dritter Stelle folgen die Anlehnbügel, die in aufwändiger Ausführung (mit Grömitz-Logo) in mehreren Abstellanlagen installiert sind und auf 14 Tauglichkeitspunkte kommen. Beide Modelle sind trotz ihrer recht hohen Punktzahl gerade für einen Urlaubsort keine ideale Wahl, siehe "Pro und Kontra Anlehnbügel".
Die Serpentinenparker in der Kirchenstraße erlauben nicht unbedingt ein Anschließen des Rahmens und sind auf abschüssigem Untergrund angebracht, "talseitig" eingestellte Räder rollen selbsttätig wieder heraus, ein Bügel ist stark verformt.
Ansonsten sind in Grömitz fast ausschließlich einfache Vorderradhalter zu finden (so genannte "Felgenklemmer" und "Felgenkiller" mit 0 oder 2 von 20 Tauglichkeitspunkten nach dem Bewertungsschema für Bestandsanlagen).
In den Abstellanlagen entlang der Strandpromenade dominiert eine pultförmige Bauform von "Felgenkillern" mit viel zu geringem Stellplatzabstand von 35 cm, so dass in der Praxis nur jeder zweite Stellplatz tatsächlich nutzbar ist. Seitenhalt und Diebstahlschutzeigenschaften dieses Modells und aller anderen an der Strandpromenade installierten Modelle sind ungenügend.
Vorschlag:
Kosten, Flächeneffizienz und Nutzerfreundlichkeit legen eine Festlegung anderer Vorzugstypen von Fahrradhalterungen aus dem Spektrum der ADFC-empfohlenen bzw. DIN 79008-konformen Reihenparker nahe.
An den öffentlichen Gebäuden ist zwar eine größere Modellvielfalt zu besichtigen, wobei aber trotzdem alle installierten Fahrradständer den Bauformen "Felgenkiller" und "Felgenklemmer" zuzurechnen sind und nach dem Bewertungsschema für Bestandsanlagen nur auf 0 oder 2 von 20 Tauglichkeitspunkten kommen.
An der Ostholsteinhalle fällt der ansteigende Untergrund in der Abstellanlage auf, so dass Fahrräder rückwärts aus den Halterungen wieder herausrollen können, wenn die Reifenbreite in der Klemmung keinen Halt findet. An der Gildehalle ist ein eigentlich für beidseitige Beparkung vorgesehenes Modell an der Fassade platziert und kann so nur einseitig genutzt werden, außerdem sind diverse Bügel ramponiert. Auch die Polizeistation vergibt die Chance, mit einem hochwertigen Modell als Multiplikator für möglichst diebstahlssicheres Fahrradparken zu fungieren.
An den Gästeunterkünften sind - soweit einsehbar - als Fahrradständer nur "Felgenkiller" und "Felgenklemmer" zu finden, die auf 0 oder 2 von 20 Tauglichkeitspunkten nach dem Bewertungsschema für Bestandsanlagen kommen.
Vorschläge zur Abhilfe:
Für ein sicheres Parken der Gästefahrräder an den Unterkünften über Nacht sind abschließbare Abstellräume die optimale Lösung. Wo dies nicht möglich ist, sollten zumindest sehr hochwertige Fahrradparker mit optimalen Diebstahlschutzeigenschaften zur Verwendung kommen.
Hierfür ist es wichtig, dass die Informationen über gutes Fahrradparken an die Gastgeber herangetragen werden, und zwar möglichst auch in praktisch erlebbarer Form. Ideal dafür wäre eine durch die Gemeinde an zentraler Stelle errichtete Musteranlage mit verschiedenen ADFC-empfohlenen bzw. DIN 79008-konformen Reihenparkern.
Auch an den Geschäften, Bankfilialen und Restaurants ist der Fahrradkunde keineswegs König, sondern eher Bettelmann und muss um die Unversehrtheit seines Fahrrades bangen. Ein Fahrradkunde, der sein Fahrrad sicher abgestellt weiß, ist mit Sicherheit ein entspannterer und vielleicht auch kauffreudigerer Kunde!
Vorschlag zur Abhilfe:
Auch für diese Betreiber von Fahrradabstellanlagen wäre eine an zentraler Stelle von der Gemeinde errichtete Musteranlage mit verschiedenen ADFC-empfohlenen bzw. DIN 79008-konformen Reihenparkern sehr hilfreich.
In Grömitz fällt eine Vielzahl von mobilen Werbe-Fahrradständern auf, die Werbung für Ausflugsziele wie den Esel- und Landspielhof Nessendorf oder die Ostsee-Erlebniswelt Heiligenhafen machen und vermutliche von diesen gesponsert wurden. Leider handelt es sich bei all diesen Werbeständern nur um "Felgenklemmer" mit 0 Tauglichkeitspunkten, also aus Radfahrersicht eher um Antiwerbung.
Vorschlag zur Abhilfe: Es gibt solche Werbe-Fahrradständer durchaus auch in ADFC-empfohlener bzw. DIN 79008-konformer Qualität. Im Sinne einer überzeugenden Werbung sollten sowohl die werbenden Ausflugsziele wie auch die Gemeinde Grömitz ein Interesse an der Verwendung solcher hochwertigen Modelle haben. Letztere könnte im Rahmen einer kommunalen Fahrradsatzung hier Vorgaben machen. |
Verkehrsführung des Radverkehrs
Mehrere Haupttrassen des Radverkehrs in Grömitz weisen abhängig von Saison und Tageszeit auch einen teilweise lebhaften Kraftfahrzeugverkehr auf. Fahrradfahren macht dann hier nur eingeschränkt Spaß, insbesondere wenn sich ungeduldige Autofahrer ohne den notwendigen Sicherheitsabstand an Fahrradfahrern vorbeiquetschen.
Vorschlag zur Abhilfe: Was spricht dagegen, zum Beispiel die Wicheldorfer Straße und die Seestraße, aber auch andere stark von Radfahrern frequentierte Straßen umzuwandeln in Fahrradstraßen nach StVO, Anlage 2, Nr. 23 zu Zeichen 244.1 mit Zulassung von Kraftfahrzeugverkehr durch Sonderzeichen? Das würde einerseits gleichzeitig eine Tempo-30-Geschwindigkeitsbeschränkung bedeuten und andererseits Fahrradfahrern mehr Respekt und Rücksichtnahme zuteilwerden lassen. |
Lademöglichkeiten für E-Bike-Akkus
Laut der offiziellen Grömitz-Homepage gibt es auf dem Campingplatz Hohe Leuchte und in den beiden Geschäftsstellen des Tourismus-Services Ladestationen für E-Bike-Akkus. Diese Möglichkeit ist zumindest an der Seebrücke nicht sichtbar beschildert, außerdem fällt diese Geschäftsstelle durch das Fehlen nahegelegener Fahrradabstellmöglichkeiten auf.
Vorschläge zur Verbesserung:
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Informationen und Infrastruktur für durchreisende Radtouristen
Grömitz liegt am internationalen Fernradweg EuroVelo 10 (Ostseeküsten-Radweg, D2) und am Mönchsweg. Haben sich die Grömitzer schon mal Gedanken gemacht, wie und wo durchreisende Fernradtouristen mal für ein paar Stunden ihr Rad und ihr Gepäck sicher zurücklassen können, um entspannt den Grömitzer Strand genießen zu können? Die Abstellanlagen im Bereich der Strandpromenade mit Ausnahme der Anlehnbügel am Wellenbad sind eher als unsicher einzustufen, Schließfächer in zentraler Lage sind nicht vorhanden (oder nicht ausgeschildert). Die nächsten Fahrradboxen gibt es am Lenster Strand.
Vorschlag zur Abhilfe: In zentraler Lage an der Grömitzer Strandpromenade sollte eine größere Schließfachanlage installiert (und auf der offiziellen Grömitz-Homepage erwähnt) werden. Darüber würden sich nicht nur Fernradtouristen freuen. |
Fazit
Zum heutigen Stand kann sich Grömitz nicht mit besonderer Fahrradfreundlichkeit rühmen. Diese Einschätzung deckt sich mit Grömitz' Ergebnissen bei den Fahrradklima-Tests des ADFC, die eine Gesamtbewertung 2016 von 3,5 und eine Gesamtbewertung 2018 von 3,6 (nach Schulnoten-Prinzip) ergeben haben. Beim Durchlauf 2020 hat Grömitz nicht die erforderliche Mindestanzahl von Bewertungsteilnahmen und somit kein Ergebnis erhalten.
Wahrscheinlich haben sich die Grömitzer Verantwortlichen und Planer bislang kaum die "Fahrradbrille" aufgesetzt. Aber die notwendigen Verbesserungen sind finanziell überschaubar, vermutlich bezuschussungsfähig für EU-Fördermittel für den ländlichen Raum und verteilen sich ansonsten außerdem auch auf viele Schultern (z. B. Vermieter der Unterkünfte).
Grömitz als "Fahrradfreundlicher Urlaubsort" wäre ein lohnenswertes Ziel, denn Sicherheit und Zufriedenheit der Fahrradurlauber kann für einen Urlaubsort keine Nebensache sein!